Technik
Technik der Draisine

Im Gegensatz zu anderen Draisinentrassen ist die Strecke an der Nordbahntrasse verhältnismäßig kurz, aber dadurch nicht weniger interessant: Es handelt sich um die einzige erhaltene Gleisanlage der Wuppertaler Nordbahntrasse und dem Anschlussgleis der größten Betriebszentrale einer Genossenschaft, die vor knapp 100 Jahren über 200.000 Menschen mit Lebensmitteln versorgte.

Fahrraddraisine

Fahrraddraisinen, also Schienenfahrzeuge die durch Muskelkraft geführt werden in der Sonderform, dass man ähnlich eines Fahrrades pedaliert, gibt es schon sehr lange und in der ganzen Welt. Erste Tests mit geliehenen Fahrraddraisinen, siehe Fotos, zeigten direkt einige Herausforderungen an unserer Strecke: Die Draisinen müssen innerhalb einer Fahrt zwei Mal gewendet werden, wovon eine Wende auch an einer Gefällestrecke stattfinden muss. Das Wenden klassischer Fahrraddraisinen ist nur durch eine ausreichende Anzahl kräftiger Menschen möglich und nicht ungefährlich im Gleisbett, welches viele Stolperfallen bietet. Spezielle, ortsfeste Wendehilfen haben den Nachteil, dass man je nach Zeit und Gruppe die Strecke nicht verkürzen kann, sondern zwingend diese Wegpunkte erreichen muss. Zudem sind die meisten Draisinen in Leichtbauweise und bieten wenig Platz. Wir hätten allerdings gerne eine Draisine, die genügend Platz für acht Personen, Hunde und einen Rollstuhl oder Kinderwagen bietet, ohne dabei stehen oder sich dicht drängen zu müssen. Somit schieden Leichtbauvarianten aus und ein solider Boden musste her, auf dem man sich wohlfühlt und alles von Handtasche bis Biertisch sorglos und sicher abstellen kann. Ferner sollte die Satteleinstellung deutlich größere Höhenvariationen bieten können, als es bei klassischen Fahrradsätteln der Fall ist, um für Kinder und Erwachsene gleichermaßen das Treten zu ermöglichen.
Mechanik
Eine Draisine die diese Anforderungen erfüllt, gibt es nicht. Es musste ein eigenes Modell entwickelt werden (siehe Modellentwurf). Dieses sollte zudem sicher und intuitiv zu handhaben sein, um Unfälle durch Fehlbedienung unmöglich zu machen. Der Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Änderung der Fahrtrichtung. Damit die Fahrer stehts in Fahrtrichtung blicken, zugleich Mitreisende und das Gleis im Blick haben, müssen Tretplätze in beide Fahrtrichtungen existieren. Mechanische Freiläufe an den Pedalen sind dabei zwingend erforderlich, damit beispielsweise bei einer Talfahrt die Pedale nicht gefährlich schnell rotieren, ferner, damit beide Tretplätze für eine Richtung unabhängig voneinander sind, sich somit einer der Fahrer auch mal ausruhen kann.

Die jeweils unbesetzten Tretplätze der Gegenrichtung haben allerdings trotz Freilauf das Problem, dass ihre Pedale rotieren, da sich hier durch die gegensätzliche Fahrt- und Drehrichtung der Freilauf wieder in der Richtung befindet, in der die Drehbewegung übertragen wird (ähnlich eines Fahrrads, welches man rückwärts schiebt). Somit wurde es erforderlich, dass die jeweils unbesetzten Pedalplätze (jene für die Gegenrichtung), mechanisch ausgekuppelt werden, sodass sie keinerlei Verbindung mehr zum Rad haben und damit ungefährlich sind. Diese Mechanik, siehe Foto, musste natürlich einen wechselseitigen Ausschluss beinhalten, sodass es mechanisch nicht möglich ist, die Tretplätze für beide Richtungen zeitgleich einzukuppeln.
Um hier Fehlbedienung zu vermeiden, dienen die Sattelstangen als Umstellhebel. Werden die Sättel so gekippt, dass man darauf sitzen kann, ist diese Seite eingekuppelt und betriebsbereit – die Sättel der Gegenrichtung werden dabei automatisch so gestellt, dass sie nicht besetzt werden können, zeitgleich wird die Verbindung zwischen Pedal und Rad unterbrochen. Durch das Eigengewicht der Fahrer, ist es ausgeschlossen, während der Fahrt auf die Gegenrichtung umzuschalten.
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Elektroantrieb

Durch die großen Abmessungen der Draisine und den durchgehenden Bodenbelag in Holzoptik, hat sie ein recht hohes Leergewicht von rund 700 kg. Dieses Gewicht, zuzüglich der Mitreisenden, zu zweit mit Muskelkraft zu bewegen, ist durchaus möglich, allerdings stellt die Steigung im Anschlussgleis der Konsumgenossenschaft auch geübte Radler vor eine ungewohnte Herausforderung, denn auf einer Strecke von 800 Metern müssen in diesem Teilstück zwanzig Höhenmeter überwunden werden. Der Wunsch nach elektrischer Unterstützung wurde laut, wie sie mittlerweile im Trassenbild bei Lastenfahrrädern, Fahrradrikschas und natürlich ganz klassischen E-Bikes zu beobachten ist. Natürlich hätten auch entsprechend mehr Tretplätze installiert werden können, allerdings hätte es dann noch mehr Menschen gebraucht, die zeitgleich in die Pedale treten, statt sich elegant durch das kühle Waldstück fahren zu lassen, von dem man auf die Trasse herunterblicken kann.
Die Herausforderung der Entwicklung der elektrischen Unterstützung bestand einerseits darin, dass die klassischen E-Bike-Antriebe ebenfalls nur für leichte Fahrzeuge dimensioniert sind, andrerseits einen anderen elektrischen Aufbau des Gesamtsystems haben, wie beispielsweise nur einen Fahrer an einem einzelnen Pedalsatz vorsehen, den sie unterstützen müssen, während die Draisine vier davon hat. Zudem muss die Draisine in beide Richtungen fahren, was ebenfalls bei E-Bikes und ähnlichen Fortbewegungsmitteln nicht vorgesehen ist. Ein simpler Umbau eines E-Bike-Antriebs an die Draisine schied damit aus. Ferner soll natürlich ein leichtes, intuitives und sicheres Bedienkonzept, wie es für die Mechanik bereits umgesetzt wurde, weiterverfolgt werden.

Der elektrische Teil der Draisine besteht aus folgenden Komponenten:

  • 1,5 kW permanenterregter Synchronmotor mit 23 Polpaaren und einem Drehmoment von 45 Nm
  • 200 A Leistungseinheit für den Motor
  • Sicherungskasten und Stromverteiler mit Ansteuerung der Glocke
  • Akku mit 48 V und einer Kapazität von 12 Ah
  • Vier hochauflösende Drehzahlsensoren mit Kettenrad an den Tretplätzen
  • Zwei induktive Näherungsschalter zur Überwachung der Sattel- und Fahrtrichtungsstellung
  • Zwei Schalter an den hydraulischen Bremshebeln
  • Zwei Bedienteile mit Schlüsselschalter, Betriebs- und Akkustandanzeige

Zudem eine zentrale Einheit zur Überwachung und Steuerung der Draisine. An ihr führen alle Leitungen zusammen:
  • Drehzahlsensoren der Tretlager
  • Sensoren an Bremshebeln und Sätteln
  • Bedienteil-Systemschnittstelle
  • Leistungseinheit
  • Temperatursensoren von Leistungseinheit und Motor
  • Rotorlagesensoren (Hall-Sensoren) des Motors
  • Batterie und Motor
  • Die Steuerung verfügt über eine Strom- und Spannungsmessung, einem Kreiselinstrument zur Lageerfassung des Fahrzeugs sowie eine Schnittstelle zur Konfiguration und Parametrierung
Die Funktion der elektrischen Unterstützung ist so gewählt, dass die Fahrerrinnen und Fahrer nichts beachten müssen. Tritt jemand in die Pedale, wird diese Drehbewegung erfasst und der Motor beginnt die Unterstützung. Der Neigungswinkel (Pitch) der Draisine wird zudem gemessen, ähnlich einer Wasserwaage, und regelt die Hilfe des Antriebs entsprechend der Steigung an der sie steht, sodass eine Bergfahrt nicht deutlich anstrengender empfunden wird als die Fahrt auf der Talebene.
Mechanisch wird der Motor über eine selbstschmierende Industriekette mit der Achse verbunden. Die Kette ist mit einer Bruchkraft von knapp 18 kN deutlich stabiler als eine Fahrradkette - an ihr könnte man problemlos einen Kleinwagen aufhängen. Für den Antrieb wurde eine Spannvorrichtung im Halter integriert, sodass die Kettenspannung einfach nachgestellt werden kann. Alle mechanischen Komponenten wurden am PC konstruiert, passend und individuell gefertigt. Die Übersetzung wurde so angepasst, dass der Motor bei 10 km/h Reisegeschwindigkeit seine Maximaldrehzahl erreicht.

Die Stellung der Bremshebel und Sattelstangen wird erfasst, sodass sich der Motor umgehend abschaltet, wenn eine Bremse betätigt oder die Fahrtrichtung geändert wird. Zudem überwacht sich die Elektronik selbst: wird die Bremse betätigt oder die Fahrtrichtung umgestellt, während der Motor weiter Strom aufnimmt, wir der Akku und damit die Energiezufuhr selbstständig getrennt. Die Sicherheitsfunktionen werden auf Plausibilität überprüft, unterliegen einem regelmäßigen Zwangstest und sind über zwei verschiedene und voneinander unabhängige Wege ausgewertet.
Zum Schutz aller Mitreisenden vor einem elektrischen Schlag ist das gesamte System mit Schutzkleinspannung betrieben (Nennspannung 48 V, Maximalspannung 60 V), die gefahrlos berührt werden kann. Alle elektrischen Potentiale sind zudem isoliert von dem Draisinenrahmen und damit allen berührbaren Komponenten. Vorne und hinten an der Draisine ist jeweils ein Not-Aus-Schalter installiert, mit dem ebenfalls die Energiezufuhr bei Gefahr getrennt werden kann. Oberhalb vom Boden erinnern nur die beiden Bedienteile an die elektrische Ausstattung. Der Großteil ist unterhalb des Bodens installiert, wasserdicht, UV-fest und in Schutzrohren verlegt.